Prof. Dr. Christoph Strohm Forschungsschwerpunkte

Übersicht

  1. Recht und Jurisprudenz 
  2. Reformatoren der „zweiten Reihe“ 
  3. Widerstand gegen den Nationalsozialismus 

Recht und Jurisprudenz im Bereich des reformierten Protestantismus 1550-1650

Das Forschungsprojekt wird von der Stiftung Niedersachsen, dem Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur sowie der Stiftung Johannes a Lasco Bibliothek im Rahmen eines Forschungsprogramms „Kulturwirkungen des reformierten Protestantismus“ gefördert.
Bislang gibt es keine systematische Untersuchung der Frage, inwieweit konfessionsspezifische Muster im Berufsfeld der Juristen, in der juristischen Ausbildung und in rechtswissenschaftlichen Werken in der Frühen Neuzeit wirksam geworden sind. Die Arbeiten der an konfessioneller Ausrichtung interessierten Rechtshistoriker beschäftigen sich überwiegend mit Fragen des Kirchenrechts, und hier insbesondere mit den Differenzen zwischen lutherischen und reformierten Konzepten. Dabei ist zwar das Verhältnis von Staat und Kirche untersucht worden. Das neue Forschungsprojekt hat sich jedoch darüber hinausgehend die Aufgabe gestellt, den Zusammenhang von Konfession und Inhalten bzw. Methoden juristischer Erörterung zu klären.

Die Untersuchung soll sich auf das öffentliche Recht konzentrieren. Denn die Disziplin des ius publicum hat sich erst Anfang des 17. Jahrhunderts von der traditionellen Vorherrschaft des römisch geprägten Zivilrechts emanzipiert, und ihre Entstehung ist unmittelbar mit der konfessionellen Spaltung des Reiches verbunden. Erst jetzt tritt eine spezifisch juristische Erörterung an die Stelle der nach aristotelischem Vorbild innerhalb der praktischen Philosophie abgehandelten Politik. Der Verfasser der grundlegenden Geschichte des öffentlichen Rechts, Michael Stolleis, hat darauf aufmerksam gemacht, daß protestantische Juristen die entscheidende Rolle dabei spielten. Unter ihnen kommt einzelnen klar calvinistisch-reformiert orientierten Vertretern wie Johannes Althusius eine herausragende Bedeutung zu. Aber auch weniger bekannte reformierte Juristen wie zum Beispiel Hermann Vultejus oder Philipp Heinrich Hoenonius sind hier zu nennen. Läßt sich diese entscheidende Rolle, die protestantische Juristen bei der Entstehung des ius publicum als eigenständiger juristischer Disziplin gespielt haben, allein aus deren spezifischem Interesse an einer rechtlichen Absicherung des gefährdeten Protestantismus im Reich erklären? Oder kommen auch weitere geistesgeschichtliche Zusammenhänge, präferierte Traditionen und theologische Grundmuster zum Tragen?

Gegenüber früheren, vereinzelt unternommenen Versuchen, bestimmte juristische Argumentationen in direkter Linie aus theologischen Grundsätzen Calvins abzuleiten, ist Vorsicht geboten, zumal nicht selten konfessionalistische Interessen im Hintergrund standen. Vielmehr muß zweierlei beachtet werden: Zum einen war der Calvinismus nicht einförmig, sondern vielgestaltig. Die Auseinandersetzungen zwischen einer humanistisch-moralistisch orientierten und einer streng augustinisch-prädestinatorisch orientierten Richtung begleiten den Calvinismus von Anfang an. Zum anderen formierte sich der Calvinismus in einem Milieu, das stark von der humanistischen Jurisprudenz geprägt war. Nicht zuletzt daraus erklärt sich die besondere Attraktivität des Calvinismus unter Juristen.

Kupferstich: Johannes Althusius

In dem Forschungsprojekt werden jedoch nicht nur reformierte Juristen des 17. Jahrhunderts untersucht, sondern auch die Präsenz juristischer Themen und Argumentationen in der Theologie des Calvinismus. Bekanntlich hat Calvin selbst - wie viele andere Theologen des frühen Calvinismus - seine Jugendjahre mit dem Studium des römischen Rechts verbracht. Die Verbindung von rechts- und theologiegeschichtlichen Fragestellungen wird auch Erkenntnisse im Blick auf die konfessionelle Eigenart des Calvinismus insgesamt erbringen.

Reformatoren der „zweiten Reihe“

Ein weiterer Schwerpunkt liegt bei der Erforschung der Theologie und kirchengeschichtlichen Bedeutung der sog. Reformatoren der zweiten Reihe. Vielfach haben die Reformatoren, die neben und nach den bekannten Gestalten Luther, Melanchthon, Zwingli und Calvin wirkten, eine zu geringe Aufmerksamkeit erfahren. Ihre kirchen- und theologiegeschichtliche Bedeutung ist eingehender zu klären. Dabei wird auch ein vielfältigeres Bild der Formierung des Protestantismus deutlich, als es die klassische, in konfessionellen Bahnen verlaufende Historiographie gezeichnet hat. Besondere Aufmerksamkeit finden Martin Bucer, Johannes a Lasco, Petrus Martyr Vermigli, Johannes Oekolampad, Heinrich Bullinger, Hieronymus Zanchius und Franciscus Junius d.Ä.

Widerstand gegen den Nationalsozialismus

Untersucht wird die Funktion christlichen Glaubens und Ethos' bei den am Widerstand gegen die nationalsozialistische Herrschaft Beteiligten. Besondere Aufmerksamkeit findet das Werk Dietrich Bonhoeffers.